Schlossgasse 24, Steinernes Haus 

Das Steinerne Haus mit seinem hochragenden Staffelgiebel ist wirkungsvoll als optischer Abschluss in die Straßenachse der Altstadt eingefügt, wo ihm im Norden als städtebauliches Pendant an der „Karlspforte“ das Stadtwirtshaus gegenüber stand, später „Zum Schwan“ genannt. Auch dieser Steinbau besaß, wie schon gesagt, einen Treppengiebel, ähnlich wie das um einige Jahrzehnte ältere Rathaus. Den Baumeister des Steinernen Hauses kennen wir nicht, doch ist die auch sonst an den Büdinger Bauten aus der Spätzeit des Grafen Ludwig II. tätige Bauhütte unter Meister Hans Kune zu vermuten, wie die Steinmetzzeichen nahe legen.
Das Steinerne Haus wurde nicht auf einer vollständig leeren oder abgeräumten Fläche errichtet, denn Reste älterer Substanz haben sich im Kellerbereich und im unteren Teil des südlichen Vorbaus (zugesetzte Fenster oder Scharten) erhalten. Die Erbauungsjahre um 1510/11 für das Bauwerk lassen sich inzwischen durch Dendrodaten exakt bestätigen: Sie ergaben, dass das Bauholz des Dachstuhls von Eichen stammt, die im Frühjahr bzw. im Herbst 1511 gefällt wurden.
Das Gebäude wurde in das fortifikatorische System der Mühltoranlage einbezogen, die 1494 ihre endgültige Gestalt erhalten hatte. Es lehnte sich an die (ältere) Mühl- oder Mehlpforte an, die vermutlich aus der Zeit um 1300 stammt, zu der nun im oberen Bereich ein Durchgang geschaffen wurde. Ein gedeckter Wehrgang der älteren Stadtmauer blieb nicht nur erhalten, er wurde auch auf der Mauerkrone um den Hof herumgeführt und lief an der Ostseite des Hauses weiter, wie die Reste der Platten noch zeigen. Zwischen diesem Wehrgang an der Ostseite und dem Laufgang im Westen mit dem (heute verschwundenen) Brüstungsmaßwerk bestand mitten durch das Haus ein Durchgang.
In den Jahren 1543/1544 ließ Graf Anton dann umfangreiche Arbeiten durchführen, sodass man von einer grundlegenden Umgestaltung sprechen kann. Die mehrfach auftretenden Datierungen  bestätigen dies, so 1543 an dem spitzbogigen Türchen, das in die Hofmauer gebrochen wurde, 1544 am Brunnen, der ursprünglich im Hof nahe der Südostecke des Hauses stand, und im Innern an der Tür zum Treppenturm im Obergeschoss.
Vor allem wurde die Jahreszahl 1544 bei Bauuntersuchungen auch am inneren Zugang zum Erker freigelegt. Dies stützt die Vermutung, dass auch der das Erscheinungsbild prägende zweigeschossige Erker diesem Umbau unter Graf Anton entstammt. Traditionelle spätgotische Formen wurden von den Büdinger Steinmetzen in diesen Jahren durchaus noch verwendet. Das Untergeschoss des Hauses dürfte damals noch keine wesentliche Veränderung erfahren haben, es behielt seinen Charakter als herrschaftliche hohe Halle.
Nach 1817 wurde das Steinerne Haus Sitz der Justizkanzlei und dann des Landgerichts, bis diese Behörde in das freigewordene alte Gymnasialgebäude (ehemals „Lutherische Kirche“) in unmittelbarer Nachbarschaft umzog. Danach diente es als „Kleinkinderschule“, bis es schließlich nach dem 1. Weltkrieg an den Volksstaat Hessen als Staatliches Hochbauamt mit Wohnung des Amtsvorstehers vermietet wurde. Zwischen 1919 und 1922 wurden deshalb im Innern schonende Umbauten vorgenommen, etwa beim Treppenhaus, und auch die Stuckdecken wiederhergestellt. Nach dem Auszug der Behörde, die inzwischen zum Kreisbauamt geworden war,  Anfang der Siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts diente das Steinerne Haus noch eine Zeitlang zu Wohnzwecken. 1992 kam es unter dem Architekten Menge ohne Absprache mit den Denkmalbehörden zu einer „Entkernung“ im Inneren, was auf Dauer die statischen Probleme verstärken könnte. 1996 erhielt der Erker seine neue Bekrönung in schlanker spätgotischer Form. 1999 wurden im Rahmen eines Lehrgangs der Ausbildungsstätte „Propstei Johannisberg“ bei Fulda durch Restaurator Adrian Neus im Inneren qualitätvolle Malereien der Renaissance aufgedeckt, so geflügelte Pferde als Umrahmung der Fenster im obersten Geschoss.
Das weitere Schicksal des Bauwerks, das auf eine 500jährige Geschichte zurückblicken kann, ist ungewiss.

Quelle: Dr. Klaus-Peter Decker

 

Literatur
Heinrich WAGNER: Das Steinerne Haus an der Mühlpforte zu Büdingen, in: Mitteilungen des Oberhessischen Geschichtsvereins NF 1, Gießen 1889, S. 49-56.
Heinrich WAGNER: Kunstdenkmäler im Großherzogthum Hessen. Provinz Oberhessen. Kreis Büdingen. Darmstadt 1890, S. 73-76.
Karl HEUSOHN und Peter NIESS: Büdingen, seine Geschichte und Denkmäler. Büdingen 1927, 92-98.
Wilhelm FREY: Das Steinerne Haus in Büdingen, in: Heimat im Bild  (Gießen) Nr. 50, 1931.
Konrad PRENTZELL: Die Fassade des „Steinernen Hauses“ in Büdingen einst und jetzt. Info-Blatt des Büdinger Geschichtsvereins 1988.
Das Steinerne Haus Schloßgasse 24. Bauuntersuchung durchgeführt vom Büro für Bauarchäologie, Bauforschung und Denkmalpflege Dr.Ing.habil. Johannes CRAMER. Darmstadt 1988, mit Bauaufnahmen und Fotodokumentation (Raumbuch).
Das „Steinerne Haus“ in Büdingen. Neue Untersuchnungen zu seiner Geschichte, von Dr. Walter NIESS. Hg.von der Geschichtswerkstatt Büdingen. Büdingen 2006.

Steinernes Haus von der Stadtmauer

Kurzfilm zum Gebäude auf YouTube

Steinernes Haus von der Straße Altstadt

Steinernes Haus in historischen Ansichten, Quelle: Geschichtswerkstatt Büdingen, u.a. Bildband: Büdingen in historischen Ansichten, 2020

Zeichnungen Quelle: Dr. Walter Nieß

Steinernes Haus und rechts das Hauses der Bäckerfamilie Frank, Alfred Sengespeick, Weißbinder und Lehrer an der Kreisberufsschule, nach einem Foto aus den Jahren um 1900

 

Nordgiebel um 1913

Erker, West- und Ostansicht

Gotisches Maßwerk unter der Fensterbrüstung am Erker

 

Dachstuhl

 

Westansicht

Süd-Westseite mit Schlaghaus

Süd-Westseite mit Schlaghaus 1936

Südgiebel

Hofansicht

Hofseite 1918

Hofseite 1959

Türen und Brunnen

Zweites Obergeschoss

Erstes Obergeschoss

Erdgeschoss

Stuckdecke

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