Dauerausstellung zur Geschichte der Büdinger Juden

Die Ausstellung im ersten Stock des Heuson-Museums gibt auf fünf großformatigen Tafeln einen Überblick über die Geschichte der Juden in Büdingen von der Verleihung des Marktrechts 1330 bis zur Auslöschung der jüdischen Gemeinden im Nationalsozialismus. Um die Hintergründe vieler Geschehnisse vor Ort verständlich zu machen, werden wichtige Ereignisse in Deutschland vorangestellt.

So findet man auf der ersten Tafel Gesetze und Erlasse, die schon ab der Karolingerzeit das Verhältnis zwischen Juden und der Obrigkeit regelten.  Eine Auflistung und Erklärung von  Verschwörungstheorien zeigt den Ursprung des Antisemitismus. Von der Antike über das Mittelalter bis in die Neuzeit verstärkte sich die negative Darstellung der jüdischen Kultur. Diese aus religiösen und wirtschaftlichen Motiven entstandenen Vorurteile ­– wie die Metapher des Jüdischen Parasiten und die Legende einer Jüdischen Weltverschwörung – fanden in der NS-Zeit ihren Höhepunkt und leben bis heute in den Köpfen vieler Menschen fort. Den Abschluss bilden Beispiele für Judenverfolgungen zwischen 1096 und 1819.

Diesen überregionalen Entwicklungen wird auf Tafel zwei die wechselvolle jüdische Geschichte in Büdingen gegenübergestellt. Sie zeigt, wie sich die Toleranz oder Ablehnung der jeweiligen Herrschaft auswirkte, aber auch Spannungen zwischen christlicher und jüdischer Bevölkerung. Als herausragende Persönlichkeiten der jüdischen Gemeinde werden exemplarisch Max Halberstadt, Dr. Nathan Nathan und Dr. Ludwig Mayer genannt. Die Geschichte der Synagogen in Büdingen, Düdelsheim, Eckartshausen und Rohrbach wird angesprochen.

 

Tafel drei befasst sich mit der nationalsozialistischen Herrschaft  1933 – 1945. Die Entrechtung, Verfolgung und Ermordung der Millionen Juden wird stichpunktartig aufgezeigt. Demgegenüber führt die vierte Tafel Beispiele zur Judenverfolgung in Büdingen ab 1933 auf. Beginnend mit Ausschreitungen der Büdinger SA 1933, über Boykott der Geschäfte, Sachbeschädigungen und Freiheitsberaubung bis zu den Pogromen am 10. November 1938 in Büdingen und Düdelsheim, die Bevölkerung nahm regen Anteil. Wer sich nicht an die neuen Regeln hielt, wurde öffentlich denunziert und ebenfalls ausgegrenzt.

Tafel fünf gibt eine Übersicht über Stolpersteine in Büdingen und seinen Ortsteilen. Der Künstler Gunter Demnig erinnert an die Opfer der NS-Zeit, indem er vor ihrem letzten selbstgewählten Wohnort Gedenktafeln aus Messing in den Bürgersteig einlässt. Mittlerweile wurden in der Büdinger Kernstadt 48, in Düdelsheim 11 und in Eckartshausen 4 Steine gesetzt. Die Namen der so Geehrten und die Adressen der Stolpersteine findet man auch auf einem Faltblatt, das im Heuson-Museum kostenlos erhältlich ist.

In der zugehörigen neuen Vitrine werden Dokumente zur Geschichte der jüdischen Gemeinden gezeigt, so eine originalgetreue Kopie der Tora aus der Synagoge in Düdelsheim vom Ende des 18. Jahrhunderts, Blätter aus dem „Kleinen jüdischen Gebetbuch“ von 1711 und dem „Großen jüdischen Gebetbuch“ von 1748, Verzeichnisse der Düdelsheimer Juden von 1725 und der Büdinger Juden von 1777, ein silberner Gewürzbehälter, in dem duftende Gewürze aufbewahrt wurden und das Modell von Synagoge und Badehaus in der Mühltorstraße 12.

Alle Informationen der Ausstellung finden sich auch auf dieser Homepage. Zu vielen Begriffen gibt es Links, die ihre Bedeutung und den geschichtlichen Hintergrund ausführlich erklären.

Für Schulklassen bedeutet das, dass alle Lerninhalte zuhause oder am Schul-PC weiter bearbeitet werden können. Das Verständnis aller Texte der fünf Tafeln kann nicht im Ganzen vor Ort geleistet, die Arbeit aber jederzeit in der Schule nahtlos neu aufgenommen werden. Die Materialien liegen bereit. Somit ist ein wesentlich größerer Anteil außerschulischer Lernarbeit möglich, da die Schüler ein „Museum to go“ an jedem beliebigen Ort verwenden können. So können Schüler die Infotafeln als Einstieg zum Thema Judenverfolgung in Büdingen nutzen. Eine wesentlich höhere Integration der Museumsarbeit in schulische Lernzusammenhänge ist möglich.

Die Positionen der Stolpersteine, Synagogen und jüdischen Friedhöfe sind auf einer Google-Karte eingezeichnet und können so leichter gefunden werden.

Mit der Dauerausstellung „Zur Geschichte und Verfolgung der Büdinger Juden“  wurde dem Angebot des Heuson-Museums ein wesentliches Element hinzugefügt. Gerade in einer Stadt, die einen hohen Anteil an NPD-Wählern zu verzeichnen hat, stellt dies ein wichtiges öffentliches Zeichen dar. Dieses bislang fehlende Stück einer zentralen lokalen Erinnerungskultur gewinnt in dem genannten gesellschaftlichen Umfeld eine starke aktuelle Bedeutung.

Der Sitzungssaal der Stadtverordneten, der zugleich als öffentlicher Raum für festliche städtische Veranstaltungen dient (z.B. die Gedenkveranstaltung für das Pogrom am 9. November), hat mit der Neugestaltung ebenfalls eine deutliche Aufwertung erfahren.

Die ersten Reaktionen auf die Installation des neuen Moduls sind durchweg positiv. Kommentare wie „Zeit wurde es“ oder „Dieser Teil der Geschichte hat völlig gefehlt“ zeigen, dass die Entscheidung zu diesem Thema auch das Interesse der Besucher trifft. Gelobt wird die dichte Zusammenstellung der Informationen und besonders die Erweiterung im digitalen Angebot sowie die Möglichkeit, die Ausstellung zuhause nachlesen zu können oder weiter zu speziellen persönlichen Schwerpunkten recherchieren zu können.

Gefördert wurde die Erstellung und Umsetzung dieser Ausstellung durch die Bundesrepublik Deutschland und das Land Hessen im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (GAK)“. Die Wirtschaftsförderung Wetterau hat das Projekt von der Planung bis zur Umsetzung rege begleitet und dabei wertvolle Unterstützung geleistet.

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