Kronengasse 14, Uralthaus

Dieses zweigeschossige Fachwerkhaus stammt aus der Mitte des 15. Jahrhunderts. Das Obergeschoss steht auf kräftigen Knaggen, die an der Giebelseite weit vorkragen. Es besitzt eine durchgehende Firstsäule, überblattete Brustriegel und überkreuzte Eckstreben. Die Traufseite wurde konstruktiv erneuert. Ein wichtiger Bau für die Geschichte des oberhessischen Fachwerkes.

Quelle: denkmalpflege-hessen.de

 
Der Grundriss dieses Hauses entspricht ganz und gar dem Typ der ältesten Büdinger Wohnhäuser, die im Erdgeschoss eine große Webediele oder Werkstadt und im stark vorgekragten Obergeschoss die Wohnräume enthielten. Die erwähnte Webediele oder Diele war ein großer Raum, der das ganze Erdgeschoss einnahm und schon im 13. Jahrhundert in vielen oberdeutschen Städten urkundlich erwähnt ist. Sie ist nichts anderes als der auf die engen Stadtverhältnisse zugeschnittene Herdraum des alten oberdeutschen Bauernhauses. Die „Webediele“ ist auch der ideale Raum für die Werkstatt, Wohndiele, Kaufhaus, Warenlager. Meist befindet sich auf der Straßenseite die Werkstatt mit einem „Schopf“ (Verkaufsstand) mit schrägem Dach).Nach dem Hofe zu liegen angebaut Küche, Schreibstube usw.
Der äußere Aufbau des Hauses ist besonders schön und interessant. Schon auf den ersten Blick fällt uns das stolze Satteldach auf, das auf jeden Beschauer einen vorzüglichen Eindruck macht. Der schlichte, aber schöne Giebel mit seinen wirkungsvollen Fensterreihen in zwei Geschossen ist ein typischer Ständerbau und erinnert uns an die gotische Kirche mit zahlreichen Strebepfeilern.
Das Obergeschoss ist stark vorgekragt. Sichtbare Balkenköpfe ruhen auf feinen gotischen Knaggen (geschweifte Kurzstrebe). Die Eckpfosten sind durch „Wilde Männer“ gegen Sturm und Wetter gesichert. Die Hölzer sind mit „Schwalbenschwänzen“ verbunden. Schön erhaltene Kratzmuster im Giebel erinnern an die Keramikverzierungen, wie solche auf dem Glauberg zutage getreten sind.

Quelle: Peter Nieß, Was die Holzhäuser der Stadt Büdingen erzählen!, Heimat im Bild 1937, Nr. 8, S. 35.


Das hohe Alter dieses Hauses fällt sofort ins Auge, wenn wir vor der schlichten Giebelfassade stehen und den logischen Aufbau des Holzwerkes anschauen. Für die Erforschung der lokalen Wohnkultur ist dieses Haus von ganz außerordentlicher Bedeutung, denn es vermittelt einen nahezu unverfälschten Eindruck, wie die ältesten Büdinger Einwohner der Neustadt, die um 1390 an die Altstadt angeschlossen wurde, gewohnt haben. Die Einteilung des Hauses ist höchst einfach, doch sehr praktisch und sparsam.
Im Erdgeschoss findet sich eine große Diele oder Halle, deren hölzerne Decke mittels eines starken Unterzuges auf einer inzwischen beseitigten hölzernen Mittelsäule abgetragen wurde. An der südlichen Wand, die aus Stein ausgeführt ist, erblickt man noch einen alten Wandschrank, der im Mittelalter in keinem Aufenthaltsraum fehlen durfte. Die restlichen drei Wände dieser Diele bestehen aus halbhohen Holzwänden auf einem ca. 1,0 Meter hohen Steinsockel. An den Giebeln der Nord- und Westseite sind diese Wände mit Rücksicht auf die geringe Gassenbreite stark eingezogen (verengt). Von der Giebelschwelle bis zur Flucht des Steinsockels beträgt das Maß der Einziehung 80 cm.
Das Obergeschoß des Hauses bestand aus drei Räumen, die sich unschwer als Koch-, Wohn- und Schlafraum zu erkennen geben.
Der Kochraum befand sich im Süden, also dort, wo die Treppe aus dem Erdgeschoss einmündete. Die starke Verrußung der Hölzer im Dachstock darüber bestätigt dies.
Wohn- und Schlafraum waren durch eine Bretterwand getrennt, die oben mittels eines sparsamen Zierrats durchbrochen war. Diese Einrichtung kann man zum Teil heute noch in manchen alten Bauernhäusern des Vogelsberges sehen. Durch diese Maßnahme konnte man das Schlafzimmer mitheizen, wenn man im Wohnraum eine gewisse Temperatur hielt.
Die Treppe von dem Stockwerk zum Speicher ist noch aus der Bauzeit des Hauses und stellt eine Blockstufenleiter dar. Sie ist nur noch in den ältesten Dachstöcken im Schloss in gleicher Art zu sehen. Der Speicher besteht aus einem unteren und einem oberen Speicher. Der untere ist heute zu Wohnräumen umgebaut. Er war offensichtlich ursprünglich zur Lagerung der Feldfrüchte, Vorräte und Holz  vorgesehen.
Dem gesamten Eindruck nach war dieses Haus ursprünglich die Unterkunft eines Handwerksmeisters, der seinen Weinberg und seine Obstgrundstücke hatte, eines typischen Büdinger Bürgers, dessen Vorfahren vielleicht noch in der Altstadt ansässig waren. Man kann annehmen, dass er in dem großen Raum im Erdgeschoss seine Werkstatt hatte, vielleicht eine Schlosserei, Schreinerei oder Weberei. Im Obergeschoss wohnte der Meister mit seiner Familie, im Dachstock lagen die Wintervorräte und das Brennholz, was alles im Trockenen aufgehoben wurde und dort auch schnell an den Verwendungsort gebracht werden konnte.
Von außen gesehen, macht das Haus einen bescheidenen Eindruck, sein Besitzer war auf Zweckmäßigkeit aus und nicht auf besondere Schönheit am Bau. Ein Zweckbau eines nicht besonders betuchten Bürgers. Leider wurde die Westfassade bei einem Umbau beseitigt.
Die Hölzer des Fachwerkes sind dünn gestellt, wenn auch im Abmaß wuchtig. So entstanden große Gefache, die mit Stickgerten verflochten und mit einem Lehm- Strohgemisch ausgefacht wurden. Ein Tüncher hat diesen Wandaufbau dann mit einer Tünche überzogen und mit einem rautengitterartig verziertem, Wasser abweisenden  Bewurf, versehen, um dem ganzen Bau ein gewisses Ansehen und guten Schutz zu geben.
Zur Verstärkung der Standfestigkeit des Fachwerkes hatte man „Wilde Männer“ eingezogen und an den Ecken Knaggen an den Balkenköpfen angebracht. Verzapfungen der einzelnen Hölzer untereinander sind sparsam, die Schwalbenschwanz-Verblattung herrscht noch vor. Pfetten, Schwellen und Vorlegesparren sind durch flache Kehlen verziert.
Die Zeichen der Zimmerleute deuten auf eine Bauzeit, die zum mindesten vor der Erbauung des Rathauses von 1458 liegt. Damit kommen wir in die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts. In dieser Zeit hat Graf Dieter I. von Isenburg-Büdingen regiert. Von diesem wissen wir, dass er durch seine forstlichen Maßnahmen im Büdinger Wald versuchte, dem damals durch die Ausweitung der Bevölkerung die Versorgung der Bevölkerung mit Bau- und Brennholz schwer fiel, die entstandene Holznot zu beseitigen.
Den Erbauer des Hauses kennen wir nicht, er wird wohl auch verborgen bleiben, doch bietet sein Nachlass ein Zeitbild der damaligen Kultur und Lebensumstände.

Quelle: Dr. Walter Nieß

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