Zur Entwicklung der jüdischen Gemeinde

Am 26. Juli 1330 verleiht Kaiser Ludwig der Bayer an Luther zu Ysenburg für Büdingen das Marktprivileg für einen Wochenmarkt und einen Jahrmarkt. Er verleiht ihm außerdem das Recht, in seinem Gebiet zwölf Schutzjuden zu haben. Schutzjuden und ihre Familien wurden kraft kaiserlichen Rechts unter den Schutz des Territorialherrn gestellt.

Im Martyrologium des Nürnberger Memorbuches wird unter dem Datum 10. Juni 1337 Büdingen nach Friedberg als „Blutschuld-Stadt“ bezeichnet. Es gibt weder Hinweise noch Urkunden darüber, was sich 1337 ereignet hat. Die Ausschreitungen standen in Verbindung mit der Armledererhebung.

In den „Stadtprivilegien“ von 1353, 1369 und 1390 werden Juden in Büdingen nicht erwähnt. Erst in den Stadtrechnungen des 16. Jahrhunderts werden einzelne Juden genannt, die in Büdingen ansässig sind. Eine Gemeinde bestand erst gegen Ende des 17. Jahrhunderts.

1585 verbietet Graf Ludwig den Juden einen Aufenthalt in der Grafschaft ohne zugestandenes Geleit und untersagt den Untertanen jegliche „Contracte“ mit Juden. Er erwähnt, er habe die „hochschedliche landverderbendt schaar der Judenschaft“ nach dem Tode seines Bruders Reinhard (1568) aus der Grafschaft vertreiben lassen.

Auf Bitten von Kaiser Matthias erklärt sich Graf Wolfgang Ernst 1614 bereit, einen Teil der im Frankfurter Fettmilch-Aufstand vertriebenen Juden in seiner Grafschaft aufzunehmen.

Der Jude Schmey
1656
beschweren sich die beiden Büdinger Bürgermeister bei Graf Wilhelm Otto darüber, dass am 23. Juni der Jude Schmey mit Weib und Kindern „unvermuteterweise“ nach Büdingen gekommen und in ein bürgerliches Haus, das zudem der Stadt um hundert Gulden verpfändet ist, gezogen sei. Der Graf hat den Juden für jährlich 20 Gulden Schutzgeld aufgenommen. In ihrer Klage werfen die Bürgermeister dem Juden vor, er ziehe den Bürgern „das Brot aus dem Mund“. Graf Wilhelm Otto weist die Klage ab.
In den folgenden Jahren legen die Bürgermeister immer wieder Beschwerde ein. Juden hätten bisher immer außerhalb der Stadt wohnen müssen. Man nimmt die hasserfüllte spätmittelalterliche Polemik gegen Juden bis hin zum Vorwurf der Brunnenvergiftung auf. Sie üben auch auf den Hausbesitzer Johann Schüler Druck aus.
1660 befiehlt der Graf der Stadt, Schmey künftig ungestört und ohne weitere Klageschriften in Büdingen wohnen zu lassen.

1693 gestattet Johann Casimir dem Juden und Schutzverwandten Meyer Reinheim, in seinem Wohnhaus Schule zu halten, d.h. eine jüdische Gebetsstätte einzurichten. 1709 bewilligt Ernst Casimir dessen Schwiegersohn Schamsche das gleiche Gesuch.

1750 wird für die Juden eine Zeremonial- und Synagogenordnung erlassen, die auch einen Finanzierungsplan zur Tilgung der Schulden von 300 Gulden für den Ankauf eines Gebäudes enthält. Zwischen der Hohe-Damm-Gasse und dem Liebfraueneck wird 1753 die erste Synagoge errichtet.

1752 wird der bisherige Schulmeister Wolf Koppel als Rabbiner für den gesamten Büdinger Herrschaftsteil bestätigt; bisher gehörten die Juden des Ysenburger Landes zum Rabbinat Friedberg.

1839 wird in der Vogelsbergstraße der jüdische Friedhof angelegt.

1882 beschließt die jüdische Gemeinde, eine neue Synagoge zu erbauen, sie wird 1883 eingeweiht.

1911 findet im „Fürstenhof“ ein „Simchastora-Ball“ statt. Simchat Tora (Freude der Tora, d. h. des Gesetzes) ist der letzte der jüdischen Feiertage.
1912 feiert der Israelische Wohltätigkeitsverein dort sein hundertjähriges Bestehen mit Theater und Ball. Es spielt die Kapelle des Infanterie-Regiments Nr. 116 (Kaiser Wilhelm).

1919 feiert die israelitische Gemeinde einen „außerordentlichen Gottesdienst“ für Kriegsteilnehmer. Noch 1935 wird an vier jüdische Teilnehmer das Ehrenkreuz verliehen.

1919 beklagt sich Lehrer Max Halberstadt darüber, dass die Juden, die im Krieg ebenfalls für „den deutschen Gedanken“ eingetreten seien, von der neugegründeten „Volksgemeinschaft“ ausgeschlossen seien. Der Vorstand der „Deutsch-Christlichen Volksgemeinschaft“ betont sein Recht, einen eigenen Verein zu gründen.

1924 hat der Jung-Jüdische Wanderbund beim „Hammer“ ein mehrtägiges Treffen mit über 500 Teilnehmern.

1930 spricht Landtagsabgeordneter Prof. Dr. Ferdinand Werner auf einer „Massenversammlung“ der NSDAP im „Fürstenhof“, nach Parteiangaben „mit bestem Erfolg“. „Juden haben keinen Zutritt“.

 

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